Am Ende unseres Lebens blicken wir zurück – auf Erlebtes und Geschehenes, auf Schicksalsschläge, Erfolge, Misserfolge und Beziehungen. In dieser letzten Lebensphase gewinnt die Vergangenheit an Bedeutung und es entsteht der Wunsch, mit sich und der Welt im Einklang zu sein. Die Biografiearbeit in der Altenpflege nimmt hier eine wichtige Rolle ein. Die Frage nach dem Sinn wird am Ende des Lebens wieder aktuell – wir bewerten das, was wir erreicht und was wir versäumt haben. Wir sind auf der Suche nach einem roten Faden in unserem Leben, möchten Erklärungen für wichtige Ereignisse, Einschnitte und Krisen finden.
Biografiearbeit fördert Gefühle und Gedächtnis
Altenpfleger, die mit der Biografiearbeit vertraut sind, können Senioren emotional und kognitiv fördern und sie wieder aktiv am Leben teilnehmen lassen. Ältere Menschen leben auf, wenn sie Geschichten von früher erzählen dürfen – dann fühlen sie sich zugehörig. Das Erinnern und Nachdenken über Gewesenes aktiviert das Gedächtnis und lässt uns Gefühle noch einmal erleben. Ereignisse in Kindheit und Jugend sind den älteren Menschen oft näher, als das was erst vor kurzer Zeit passiert ist, denn Informationen aus dem Langzeitgedächtnis sind auch im hohen Alter, sogar bei an Demenz erkrankten Menschen, noch abrufbar. Das Kurzzeitgedächtnis hingegen lässt mit den Jahren deutlich nach. Auch das ist ein Grund, warum viele Senioren so gerne über die Vergangenheit reden.Pflegen mit Persönlichkeit
Biografiearbeit in der Pflege soll den Menschen, mit seiner gesamten Lebensgeschichte, in den Mittelpunkt stellen. Dabei geht es nicht nur um harte Fakten wie den Beruf, das Geburtsdatum und die Anzahl der Geschwister, sondern vor allem um die individuelle Lebenswelt des Menschen. Welche Interessen hatte er – ging er gerne in die Natur? Waren ihm Bücher wichtig? Lebte er auf dem Land oder in der Stadt? Welche Rollte spielte Religion in seinem Leben? Welche Krisen hatte er zu meistern? Eigenwilliges Verhalten, Zurückgezogenheit oder Wutausbrüche lassen sich besser verstehen, wenn man die Geschichte eines Menschen kennt. Das trägt zu einer individuellen Pflege bei, die den ganzen Menschen wahrnimmt und ihn so akzeptiert, wie er ist. Für die Altenpfleger führt das Verstehen der persönlichen Lebensgeschichte der Pflegebedürftigen zu mehr Gelassenheit, größerer Toleranz und Frustrationstoleranz. Der zu Pflegende wiederum erfährt Sicherheit und Wertschätzung durch verständnisvollen Umgang mit ihm, fühlt sich weniger ohnmächtig und kann darum Hilfe besser annehmen und die Pflegekraft als wertvolle Bezugsperson schätzen.Schwerpunkte der Biografiearbeit
- Soziale Biografie Die soziale Biografie beschäftigt sich mit dem Umfeld des Menschen. Welche finanziellen Mittel standen ihm zur Verfügung? Welche „Sprache“ spricht er? Welche Werte bestimmten sein Leben (Familie, Fleiß, beruflicher Erfolg)?
- Kulturelle Biografie In welcher Kultur ist jemand aufgewachsen? Wie ist sein Verhältnis zur Religion? Welche Sitten und Bräuche sind wichtig für ihn? Hat er auf dem Land oder in der Stadt gelebt?
- Lern- und Bildungsbiografie Hier geht es um die Schulzeit, die Phase der Ausbildung und des Studiums. Auch andere Bildungsbereiche, die dem Menschen wichtig waren, gehören dazu.
- Persönlichkeitsbiografie Die Persönlichkeitsbiografie beschreibt, was dem Menschen im Allgemeinen wichtig ist, wie er mit Problemen umgeht, was er ablehnt und wann er Zufriedenheit empfindet.