Glück als Unterrichtsfach

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Seit 2008 hat sich die australische Geelong Grammar School der Positiven Bildung verschrieben und gilt damit als Pionierin im Bereich des „Glücksunterrichts“. Die Schüler*innen, für die wöchentlich zwei Schulstunden auf dem Stundenplan stehen, in denen es um die Themenbereiche Emotionen, Engagement, Beziehungen, Sinnerleben, Zielerreichung und Gesundheit geht, lernen so von klein auf, wie sie selbst zu ihrer eigenen Zufriedenheit beitragen können. Macht dieses Modell auch in Deutschland Schule? 

Zukunftsoptimismus und Lebenszufriedenheit 

Angesichts der Weltlage könnte man den Kopf schon in den Sand stecken. Gerade junge Menschen, die ihr Leben noch vor sich haben, sehen laut einer von der Krankenkasse Barmer in Auftrag gegebene Repräsentativ-Umfrage des Sinus-Instituts aus November 2022 die Themen Krieg, Klimawandel, Umweltverschmutzung/-zerstörung, Energiekrise, Armut und Artensterben als besorgniserregend an. Überraschenderweise sind die Themen Ausbildung und Arbeitsplatzsuche bei nur etwa 20 % der Jugendlichen ein Grund zur Sorge. Dennoch ließ sich im allgemeinen persönlichen Zukunftsoptimismus ein Rückgang von insgesamt 6 % gegenüber 2021 (75 %; 81 % 2021) ausmachen. Neben der Frage, wie optimistisch die Befragten in die Zukunft blicken, wurde auch die Lebenszufriedenheit erforscht: Die große Mehrheit der 14- bis 17-Jährigen ist auch 2022 trotz aller Sorgen und einer pessimistischen Bewertung der Zukunft von Land und Welt im Großen und Ganzen zufrieden mit dem eigenen Leben. 77 % der 2.001 befragten Jugendlichen gaben an, mit ihrem eigenen Leben gerade eher zufrieden (59 %) oder sogar sehr zufrieden (18 % zu sein). Das ist ein leichter Rückgang von 3 % verglichen mit dem Vorjahr. 

Glückstraining im Unterricht 

Es scheint ganz so, als könnten junge Menschen recht gut mit den Unwägbarkeiten in der Welt umgehen. Um die Resilienz von Kindern und Jugendlichen noch weiter zu stärken, gibt es seit einigen Jahren an vielen Grund- und auch weiterbildenden Schulen das Thema „Glück“ als Unterrichtsfach. Die Inhalte beruhen auf den Erkenntnissen der Positiven Psychologie, der Resilienzforschung und der Lern- und Gehirnforschung und der Auffassung, dass Glück erlernt werden kann. Im Fach „Glück“ steht der Mensch im Mittelpunkt des Unterrichts – fachliche Thematiken, die sonst Gegenstand von Unterrichtsstunden sind, treten in den Hintergrund. Das bedeutet, der*die Schüler*in setzt sich „mit sich selbst“ auseinander. Die Schüler*innen beschäftigen sich mit der eigenen Persönlichkeit und entwickeln eine Vision ihres Lebens. Auch die Frage, welche Vorstellungen und Werte eine Person vertritt, kann dabei eine Rolle spielen. 

Pilotprojekt an Braunschweiger Grundschulen 

Gemeinsam mit der Buchautorin und Trainerin für Glückskompetenz Carina Mathes hat Diplom-Psychologe Tobias Rahm vom Institut für Pädagogische Psychologie der Technischen Universität Braunschweig das „GlüGS-Projekt“ (Glücksunterricht an Grundschulen) ins Leben gerufen. In diesem Rahmen werden etwa 300 Schüler*innen an 16 Braunschweiger Grundschulen von Studierenden der Fakultät für Geistes- und Erziehungswissenschaften im Schulfach Glückskompetenz unterrichtet. Der Unterricht basiert auf dem Programm „Curriculum Schulfach Glückskompetenz“, das Carina Mathes 2016 entworfen hat. Inhaltlich geht es um Themen wie Gefühle wahrnehmen, Entspannung und Achtsamkeit, Stress und Angst, positive Emotionen, Selbstbewusstsein, soziale Beziehungen, Hilfsbereitschaft und Dankbarkeit. Wie Carina Mathes in einem Interview mit Deutschlandfunk Kultur anlässlich des Internationalen Tag des Glücks am 20. März schilderte, werden neurobiologische Zusammenhänge mithilfe altersgerechter Übungen und Geschichten spielerisch-kreativ vermittelt. Dazu werde zunächst die Theorie erklärt und diese dann anschließend mit praktischen Übungen vertieft. Ein Unterrichtsblock zum Thema Dankbarkeit, welcher ein großer Schlüssel für Glücksmomente ist, starte beispielsweise mit einer Geschichte über Dankbarkeit. In einem zweiten Schritt basteln die Kinder eine Dankbarkeitskette für den Klassenraum. Diese besteht aus einzelnen Elementen, auf denen die Kinder sammeln, wofür sie im Leben und speziell an diesem Tag dankbar sind. Das Schulprojekt, das von November 2022 bis Januar 2023 durchgeführt wurde, wird wissenschaftlich begleitet und die Erkenntnisse werden im Anschluss ausgewertet.  

Wohin gehört Glück? 

Viele elementare Dinge, wie Laufen und Sprechen, lernen wir nicht in der Schule, sondern von unseren Eltern oder anderen engen Bezugspersonen. Daher ist die Frage danach, wo wir lernen sollten, ein glücklich-gelingendes Leben zu führen, durchaus legitim. Was hat ein solches Thema denn in der Schule zu suchen – noch dazu zu einer Zeit, in der der Lehrermangel allerorten beklagt wird und Unterrichtsausfälle an der Tagesordnung sind? Der Diplom-Psychologe Tobias Rahm der TU Braunschweig erläutert: „Wenn wir uns eine Welt mit weniger Depressionen und Stress und stattdessen mehr Mitgefühl, Wertschätzung und psychischer Gesundheit wünschen, sind unsere Schulen wahrscheinlich der beste Ansatzpunkt.“ 

Da glückliche Menschen gesünder, sozialer, proaktiver und auch produktiver sind, ist das Thema Glück in allen gesellschaftlichen Lebensbereichen gut aufgehoben. Es sollte nicht nur in der Schule vermittelt werden, sondern auch in der Familie vertieft werden. Ein Glücksworkshop in Unternehmen, um Mitarbeitende zu motivieren, könnte auch nicht schaden. Denn auch im fortgeschrittenen Alter sollten wir die Fähigkeit, unsere positiven Gefühle bewusster wahrzunehmen, weiterhin trainieren.

Bildquelle Beitragsbild: © VectorMine/shutterstock.com

Autor

Nadine Elbert

Seit August 2019 schreibt Nadine Elbert hier im Wechsel über Themen aus den Bereichen Ausbildung, Studium und Beruf – und schöpft dabei auch aus ihrem reichhaltigen persönlichen Erfahrungsschatz.