Cynthia Ama Teye hat im Mai diesen Jahres zwei Wochen als Erzieherin in der staatlichen Schule Mare Nostrum verbracht. Warum ihr das Praktikum die Augen geöffnet hat und welche Methoden sie mitgenommen hat in ihre deutsche Praxiseinrichtung, hat sie uns in ihrem Praktikumsbericht verraten.
Am ersten Tag haben wir den Weg alleine zur Schule gefunden. Da wir in Mataró gewohnt haben, welches 30 km östlich von Barcelona lag, mussten wir erst mit der Regionalbahn fahren und dann mit der Metro L3 weiter bis nach Valldaura. Von dort waren es zwei Minuten zu Fuß bis zur Schule.
Wir wurden von einer deutschsprachigen Mutter und Montse, eine Angestellte der Schule, am Schultor begrüßt und anschließend von der Schulleiterin empfangen.
Sie erklärte einiges und erzählte viel über die Schule und deren Konzept. Interessant war, dass die Klassen sich ihre Namen selber ausdenken. Alle Klassen sind zweizügig.
- Die P3 (3 -Jährige) hießen Eisvögel und Möwen.
- P4 (4-Jährige) nannten sich Delphine und Seepferdchen.
- P5 (5-Jährige) wählten die Namen Panther und Jaguar.
Diese drei Altersstufen waren unsere Zielgruppe für das Praktikum. Ich war die erste Woche bei den Seepferdchen und die zweite Woche bei den Delphinen. Der Personalschlüssel ist 1:25.
Woche 1
Meine Ansprechpartnerin für die erste Woche war Marta. Wir hatten 24 Kinder in der Klasse. 11 Mädchen und 13 Jungen, darunter ein Kind mit Autismus. Er bekam eine extra Betreuung durch eine qualifizierte Fachkraft. Die Kinder kommen um 9 Uhr in die Schule. Sie hängen ihre Tasche und Jacken in die Garderobe und setzen sich dann mit einem Buch in den Morgenkreis. Um ca. 9.15 Uhr beginnt dann der Morgenkreis mit einer Begrüßung. Der Tag der Woche und das Datum werden genannt und an die Tafel geschrieben und laut buchstabiert. Danach darf ein Kind die Kinder zählen und es wird geguckt, wer fehlt. Die fehlenden Kinder werden auch an die Tafel geschrieben.
Dreimal die Woche gibt es verschiedene Vormittagsangebote und die Kinder dürfen mitentscheiden, zu welchem Angeboten sie gehen möchten. Es gab Naturwissenschaft, Sprachbildung und Spielzimmer. In Naturwissenschaften war das Thema Vögel. Ingrid holte die Kinder ab und es ging auf die Dachterrasse. Dort durften die Kinder etwas Brot verteilen und die Vögel anlocken. Es kamen Tauben, Möwen und Spatzen. Es wurde dann in Büchern geguckt, welche Vögel man gesehen hat. Ingrid hatte außerdem Federn und Eierschalen dabei, die die Kinder anfassen durften.
Diese Methode des Unterrichts war sehr interaktiv und interessant für die Kinder. Sie haben die Vögel nicht nur in Büchern und auf dem Arbeitsblatt gesehen, sondern live auf der Terrasse.
Vor der Pause um 10:30 Uhr gab es eine kleine Brotzeit. Die Kinder bekamen ein Stück Brot, das mit Öl beträufelt war. Danach ging es auf den Schulhof, der nur für die P4- und P5-Kinder gedacht ist. Die Kinder aus P3 haben ihren eigenen Schulhof. In der Klasse sowie auf dem Hof war es erstaunlich zu sehen, wie die Kinder, wenn es Zeit ist, aufräumen. Die Lehrkräfte stimmen nur ein Lied an und schon wissen die Kinder Bescheid und räumen in Windeseile auf. Jedes Kind beteiligt sich und es wird sich gegenseitig geholfen, bis alles aufgeräumt ist.
Am Mittwoch war Weltfamilientag und das Thema Familie wurde in der Gruppe aufgenommen. Es wurde über die verschiedensten Familienkonstellationen gesprochen. Diese waren:
- Familien mit nur einem Elternteil
- Familien mit 2 Müttern oder 2 Vätern
- Familien mit nur einem Kind
- Familien mit vielen Kindern
- Familien mit Adoptivkindern
- Familien mit vielen Mitgliedern wie z. B Oma, Tante, Cousin oder sogar einem Haustier
In einer anderen Unterrichtsstunde durften die Kinder mit Knöpfen ihre eigenen Familien darstellen. Wie das geht, haben sie vorher in einem YouTube Video gesehen.
Vormittags gibt es verschiedene Stationen an den Tischen, wo die Kinder unterschiedliche Fähigkeiten erlernen.
- Tisch 1: Hier suchen die Kinder zu einem Bild mit Namen, das Wort, und heften es unter dem Bild an.
- Tisch 2: Hier gibt es ein Frühlings-Roulette-Bingo-Spiel. Das Bild, an dem der Pfeil beim Roulette stehen bleibt, wird auf einer Matte gesucht und ein Plättchen draufgelegt. Wer seine Matte voll hat, ruft laut “Bingo”.
- Tisch 3: Hier wird mit einer Schere verschiedenen Linien nachgeschnitten und dann das Blatt aufgeklebt.
- Tisch 4/Tafel: Hier werden Magnetbuchstaben zu einem bestimmten Muster nachgebildet
Jede Station wird 7-8 Minuten besucht und dann wird gewechselt. Eine Station zum Entspannen gibt es auch und das ist die Lese- oder Spielecke.
Jeden Freitag nehmen die Kinder ihre Schüssel, die für den Obstsnack benutzt wird, mit nach Hause und bringen diese am Montag wieder mit. Die individuellen Trinkbecher mit Namen werden auch mitgenommen und Montag wieder zurückgebracht.
Woche 2
In der zweiten Woche durfte ich bei den Delphinen sein. Hier war Mari die Lehrerin, die mich durch die Woche führte. Es waren 25 Kinder in der Klasse. 9 Mädchen und 16 Jungen. Es gab einen Jungen mit einer Behinderung und einen Jungen mit Diabetes, dessen Werte stets über ein Handy überwacht werden mussten. Das Handy wurde immer an die Fachkraft weitergegeben in der Klasse, in der sich der Junge befand. Bei niedrigem Blutzucker bekam er sofort etwas Fruchtpüree, was er zu sich nehmen musste. Ähnlich wie bei den Seepferdchen war der Tagesablauf gleich.
Interessant war eine Abstimmung an einem Tag. Es sollte darüber entschieden werden, ob eine Krone, die gebastelt wird, blau oder rosa sein soll. Die Kinder wurden einzeln gefragt und es wurde eine Strichliste an der Tafel gemacht. Am Ende war das Ergebnis, 5 für Blau und 16 für Rosa.
Es gibt ein selbst gestaltetes Klassenbuch und jeden Tag darf ein Kind dieses große DIN A2-Buch in einem ebenfalls selbst gestalteten Beutel mit nach Hause nehmen und am nächsten Tag wieder zurückbringen
Einmal in der Woche gibt es Nachmittagsangebote. Diese finden in gemischten Gruppen (P3, P4 und P5) statt. Die Gruppen sind fest, nur die Angebote wechseln wöchentlich. Folgende Angebote gibt es:
1) Hort 1 = Gemüsegarten
2) Hort 2 = Pflanzen, Insekten etc.
3) Emocionat = Gefühle
4) Pati = großer Schulhof
5) Cuina = Kochen
6) Ioga = Yoga
7) Art = Kunst
8) Experimentació = Experimentieren
9) Eca = Expressio corporal artistica = Körperkunst
Am Donnerstag durfte ich ein Angebot ausführen und ich brachte den Kindern spielerisch und mit einem Lied die Zahlen von 1 bis 10 bei.
Meine persönlichen Eindrücke der Schule und des Aufenthalts in Barcelona
Die Schule und ihre kompetenten und herzlichen Lehrer*innen haben mich sehr begeistert und zum Nachdenken gebracht. Warum ist in Deutschland eine Kitagruppe mit 25 Kindern mit 3-4 Fachkräften besetzt und es ist ständig stressig und die Kinder hören nicht auf die Fachkräfte?
Die Fachkräfte in Barcelona gehen so liebevoll mit den Kindern um und schimpfen wirklich nur, wenn das Verhalten total daneben oder sogar gefährlich ist. Es wird in einem liebevollen Ton mit den Kindern kommuniziert und es gibt sehr viel Wertschätzung und Lob. Ich habe Barcelona noch mal von einer anderen Seite kennengelernt als vor ein paar Jahren im Urlaub. Das Land und die Leute faszinieren mich noch heute und ich würde am liebsten sofort wieder zurückgehen, um in dieser Schule arbeiten zu können. Das Miteinander und der Umgang mit den Kolleg*innen war einfach herzlich, ehrlich und voller Leidenschaft. Wir haben auch etwas Stadt und Kultur kennengelernt, aber dafür waren
die zwei Wochen einfach zu kurz. Kaum haben sich die Kinder an uns gewöhnt und mit uns kommuniziert (auf Spanisch oder Katalanisch), war der Abschied schon da.
Fazit und Auswirkungen der Erfahrung auf meine Ausbildung
Ich möchte und kann nur jedem diese Reise empfehlen, um sich selber ein Bild davon zu machen, wie es möglich ist, Kindern auf eine spielerische und kreative Art Sachen beizubringen, wie zum Beispiel das Alphabet, seinen Namen zu schreiben oder leichte mathematische Übungen. Ich habe schon versucht, in meiner Praxiseinrichtung diverse Methoden anzuwenden.
Wenn eine Lehrkraft auf 25 Kinder aufpassen und sie gut beschäftigen kann, dann sollte man entspannt sein, wenn man mit 3 Fachkräften eine Gruppe besetzt. Ich habe in den spanischen Kolleg*innen ein großes Vorbild gefunden und denke immer an ihre sanften und kindlichen Methoden und versuche, diese ein kleines Stückchen in meine Gruppe einzuführen. Dieses Praktikum hat mir gezeigt, dass der Wissenshorizont so weit ist und man sich öffnen darf, um andere Kulturen, Konzepte und Lehrmethoden aufzunehmen und anzuwenden. Das Praktikum war und ist eine besondere Lebenserfahrung, die ich nur weiterempfehlen kann.
Autorin: Cynthia Ama Teye (Klasse Erz1)
Bilder: Cynthia Ama Teye / Euro Akademie Hamburg